Eigentlich sollten die folgenden Zeilen ein sachliches Review werden. Nintendo setzt mit Pokémon Origins aber dermaßen auf Nostalgie, dass man hier unmöglich objektiv bleiben kann. Wie sie das machen und ob sich die Serie in Spielfilmlänge auch für Neulinge eignet, erfahrt ihr nun in unserem Kommentar.
Als ein Anime zu den ersten beiden Pokémon Editionen Rot und Blau angekündigt wurde, hatte ich vor Freude fast Tränen in den Augen. Als ich allerdings las, dass ein Vierteiler in der Mache war, wurde ich skeptisch. Wie packt man acht Orden, die Top 4, ein schlafendes Relaxo und etliche weitere Aufgaben in nur vier Episoden mit jeweils 22 Minuten Laufzeit? Die Antwort: gar nicht. Dabei fängt alles so gut an. Allein in den ersten Sekunden erlebt man als Fan der Serie so viele Déjà-vus, dass man gar nicht weiß, auf was man zuerst achten soll. Angefangen mit dem typischen Hauptmenü, in dem man ein neues Spiel beginnt, über den ersten Monolog von Professor Eich, bis hin zum Aufbrechen ins Labor des besagten Wissenschaftlers. Hier liefern die Produzenten erstklassigen Fanservice ab. Das liegt vor allem auch daran, dass sie auf viele kleine Details geachtet haben, welche aber leider in den späteren Folgen (sprich Folge 3 und 4) nicht mehr so zahlreich vorhanden sind. Da wäre zum Beispiel eine Szene über das illegale Fangen von Pokémon gegnerischer Trainer oder der passende Jingle nach dem Besiegen eines Arenaleiters, und so weiter.
Doch kommen wir lieber zu den Kritikpunkten zurück, bevor ich ganz in meinen Kindheitserinnerungen versinke. Die erste Folge handelt von dem ersten Kampf mit dem Rivalen Blau (der natürlich das Wasser Pokémon Shiggy als sein Starter feslegte, nachdem der Protagonist Rot Glurak wählte) und der Begegnung mit Rocko in der ersten Arena. Bis hierhin weiß alles zu gefallen. Doch wenn man die nächste Folge anfängt, sieht man zu aller erst eine Inhaltszusammenfassung. Die handelt nicht von der letzten Folge, sondern von, auf die einzelnen Folgen verteilt, gut 80% der Geschichte. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass man nur bestimmte Szenen aus dem Spiel in animierter Form zu sehen bekommt, der Rest wird großzügig übergangen. Die Produzenten entscheiden quasi selbst, welche Teile der Handlung von Bedeutung sind und servieren dem Zuschauer ihre erlesene Auswahl an Storyschnipzeln. Diese scheinen zu allem Überfluss relativ willkürlich gewählt zu sein, denn der Pokéturm gehört zum Beispiel, zumindest für mich, nicht zu den atemberaubendsten Orten des Spiels. Daraus folgt, dass über die gesamten einundviertel Stunden keinerlei Spannungsbogen aufkommt, obwohl die Vorlage viele epische Momente zu bieten hat. Es wird zwar deutlich, dass sich der anfangs ungeschickte Protagonist Rot während seiner Reise weiterentwickelt (geistig und nicht zu einer neuen Form), während der arrogante, sich selbst überschätzende Antagonist Blau keinerlei Fortschritt zeigt und deshalb trotz des großen Talents, seinem Rivalen unterlegen ist.
Dadurch, dass alles so gekürzt ist, kann man sich jedoch nicht auf die Charaktere einlassen. Diese Tatsache lässt die gesamte Geschichte sehr blass und höhepunktarm wirken. Zugegebenermaßen ist Pokémon kein The Last of Us, aber emotional könnte man den Zuschauer mit der richtigen Herangehensweise und cleveren Dialogen trotzdem packen. Das hat doch bei der normalen Serie anfangs auch geklappt und das ohne gute Gespräche.
Der ein oder andere könnte argumentieren, dass durch die kurze Spielzeit keine Längen entstehen. Mir wären allerdings 10 oder gar 20 Folgen inklusive einiger langweiligen Momente lieber gewesen, wenn es dafür Höhepunkte in der Serie gegeben hätte. In der jetzigen Form musste ich ständig an die deutsche Fassung von Dragonball GT denken. Hier wurden alle Kämpfe so radikal geschnitten, dass im Prinzip nur Dialoge übrig blieben. So extrem ist es in Pokémon Origins zwar nicht, aber die Tatsache, dass man nicht einen Kampf sieht, bei dem mehr als 2 Pokemon auf jeder Seite kämpfen, ist ziemlich ernüchternd. Außerdem reiht sich ein großes Ereignis an das andere. Dies führt dazu, dass sich nie die Zeit genommen wird, auf etwas großes hinzuführen, wodurch man den besagten Spannungsbogen vergeblich sucht.
Zu allem Übel distanziert sich die Sendung später immer weiter von seiner Vorlage. In der zweiten Folge sind es Nuancen, die einem zwar auffallen, aber nicht weiter stören. Die dritte Folge bringt sogar inhaltlich einige Impulse, die im Spiel vorhanden sind, aber hier schöner und vor allem deutlicher umgesetzt wurden. Im Finale wurden allerdings Elemente eingebracht, die ich schlichtweg für unnötig halte. Aus Spoilergründen verzichte ich zwar auf genaueres, so viel lässt sich aber sagen: es hat etwas mit den neuesten Editionen zu tun.
Bleibt die wichtigste Frage: Lässt sich Pokemon Origins empfehlen? Neulingen und Skeptikern würde ich vom Anschauen abraten. Es gibt einfach zu viele inhaltliche Sprünge und zu wenig Tiefgang. Jeder, der allerdings die ersten beiden Editionen gespielt hat, und das sollten nicht wenige Personen sein, wird einen Blick nicht bereuen. Ansonsten würde ihm eine gut gezeichnete, mit Details vollgepackte Reise in die Vergangenheit entgehen.
Tags: | Pokémon Origins |
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Datum: | 26.03.2014, 21:27 Uhr |
Autor: | Amin Kharboutli |
Themen: | Allgemein |